Alte Probleme – neue Möglichkeiten
Seit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 01.12.2008 (X ZB 31/08) sowie des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2010 (Rs. C-160/08) gehören förmliche Vergabeverfahren nach den Vorgaben des Kartellvergaberechts zur ständigen Übung bei der Rettungsdienst-Beauftragung. Trotz regionaler Unterschiede in der Anwendung des Vergaberechts besteht mithin eine mehr als zehnjährige Erfahrung Praxis in der Gestaltung und Durchführung solcher Verfahren.
Aus diesen Erfahrungen lassen sich Verbesserungspotentiale ableiten und beschreiben – wie etwa materiell-inhaltlich im Hinblick auf potentielle Fehlsteuerungen des Wettbewerbs über sozial oder qualitativ kritische Faktoren. Derlei Optimierungsbedarfe gibt es freilich auch in formeller bzw. verfahrensmäßiger Hinsicht – etwa im Hinblick auf die Gefahr von „Zufallsergebnissen“ durch über strenge Formalismen oder die ausschließlich schriftliche Verfahrensdurchführung.
In diesem Zusammenhang ergeben sich aus der nunmehr in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB umgesetzten Bereichsausnahme grundlegend neue rechtliche Möglichkeiten, die es jetzt bestmöglich auszunutzen gilt.
Die Ankündigung der EU-Kommission vom 15.07.2021, ein (erneutes) Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD u. a. wegen Rettungsdienst-Vergaben einzuleiten, unterstreicht dabei auf besondere Weise die Zielsetzung und Aktualität der Studie.
Im Fokus:
Die Hebung von Qualitäts- und Innovationspotentialen
Noch interessanter ist die Fragestellung, wie der Beauftragungs-/Vergabeprozess als Prüfstein und Treiber für Qualität und Innovation im System genutzt werden kann. Neben der Frage einer praxisnäheren Handhabung möchte die Studie daher einen Schwerpunkt auf die Möglichkeiten zur Hebung von Innovationspotentialen legen.
Die Studie soll die praktischen Erfahrungen mit Rettungsdienst-Vergaben aus den verschiedenen Blickwinkeln, insbesondere sowohl der Aufgabenträger- als auch der Leistungserbringerseite, zusammenführen und beschreiben. Hieraus sollen dann konkrete Vorschläge für neuartige Vergabeformen und einen unkomplizierteren und effektiveren Verfahrensansatz entwickelt werden. Die Vorschläge sollen so ausgestaltet werden, dass sie in Leitlinien und Mustern für die Anwender sowie gegebenenfalls die Landesgesetzgeber münden können.
Explizit soll auch die Fragestellung untersucht werden, wie künftig Rettungsdienst-Beauftragungen/-Vergaben dazu genutzt werden können, eine bessere Vernetzung der rettungsdienstlichen Strukturen mit den komplementären Planungen/Strukturen der ambulanten und stationären Versorgung herzustellen. Dabei sollen auch die (punktuell bereits existierenden) Modelle der Integrierten Versorgung in die Betrachtung einbezogen werden.